Geschichten aus dem Dschungel-Alltag zweier Manager
Seit wir unsere Stelle in Kambodscha als Hotelmanager angetreten sind, meisterten wir so manch interessante Situation. Jeder Gast bringt eine Geschichte mit sich in den Dschungel, wovon ich viele jetzt schon mit Sicherheit nicht mehr vergessen werde. Dies sind einige davon.
Der Russische Sommer
Es ist 18:30 Uhr und immer noch fast 30 Grad warm, als ich nach einer erfrischenden kalten Dusche mir ein Badetuch umbinde und hinter der Managerbungalowtür hervorspähe. Stephen steht an der Rezeption und fasst sich etwas verwirrt an den Kopf, während das ganze russische Rudel von Bungalow 7 auf ihn einredet. Auf Russisch versteht sich, denn der einzige von ihnen, der Englisch spricht, ist kein Gast- sondern das I-Pad vom grossen Russen in knappen Speedos. Er fällt einem nicht nur durch seine knappe Bekleidung auf, mit der er rund um die Uhr durch Otres Village spaziert, sondern auch mit einer gruseligen Ähnlichkeit zu Putin. Er klemmt seine Arme um sich und zittert übertrieben bei den tropischen Temperaturen. Ich runzle die Stirn und Stephen nickt, während Speedo-Mann wieder auf Russisch in sein I-Pad brüllt. Ich ziehe mir schnell etwas über und versuche mein Russisch vom Gymnasium in den hintersten Ecken meines Langzeitgedächtnis‘ hervorzukramen.
„он гаворит по русский. …“ Ich kneiffe meine Augen zusammen und falte meine Stirn, als wäre mein Russisch-Wissen eine Zitrusfrucht, die nur festgenug gepresst werden muss, damit der Saft raus kommt. Er kommt, ein wenig. Genug um einem Liter Wasser einen leichten Geschmack zugeben. Es schmeckt nach.. „Ah! Die wollen ein Taxi nach Phnom Phen. Mit Klimaanlage. (Darum zittert er auch so). Morgen. 15:00 Uhr.“ Stephen nickt und meint: „Taxi habe ich verstanden und das I-Pad sagte „Airport“.“ Wir lächeln Speedo-Mann an. Er stellt eine Frage. Ich verstehe nur „Morgen“ und „Bungalow“. Verwirrt werfe ich einen Blick auf das I-Pad. „The time is 3pm.“ Ich seufze. Google Transalte hat mich noch nie überzeugt. Ich versuche es in dem ich seine Worte wiederhole. „Eшё раз он гаворит по русский, и я не панимаю..“ Ich schwitze. Er wiederholt sich und dieses mal verstehe ich sogar ein paar Worte! „Ah bleiben. Die fragen, ob sie später aus-checken können.“ Sage ich zu Stephen. Der Chef ist aber ausser Haus und wir wissen nicht, ob wir das einfach so bestätigen können. Ich quetsche ein letztes Mal mein armes Zitrusfrüchtchen aus, es scheint tragisch ausgetrocknet, und setze Wort für Wort mit Mühe eine letzte Antwort zusammen. „Ja. Ich frage. Ich sagen morgen. Taxi gut. Taxi kalt. Danke. Bis Morgen. Kommt wieder.“ Im Hinterkopf höre ich das Klopfen auf der Tischplatte meines ehemaligen Russischlehrers. Schlechte Betonung ist aber nicht das einzige, was mich sorgt. Wie konnte ich so viel Vokabular vergessen? Und die ENDUNGEN! Ich seufze. Und Als die Russen winkend von dannen sind, meint Stephen lachend: „Nachdem, was du mir über die Russischen Verben der Bewegung erzählt hast… Was wenn du ihnen aus Versehen gesagt hast, sie sollen regelmässig immer wieder zur Rezeption kommen?“ Erschöpft setzte ich mich hin und hoffe, die Russen bis morgen nicht mehr zusehen, damit sich meine Fruchpresse regenerieren kann.
Party an der Rezeption
Es ist Mittagszeit. Der Morgen verlief ruhig, Stephen und ich kochten Rühr-Ei und -Tofu zum Frühstück und warten seither an der Rezeption auf Action. Stille. Keine neuen Mails. Keine Buchungen auf Bookings. Keine hochnäsigen Bewertungen auf Trip Advisor von ehemaligen Gästen die denken, die Stromausfälle passieren einzig aus purer Boshaftigkeit der Bungalow Besitzer. Nicht einmal unsere aktuellen Gäste kommen mit Wünschen zur Rezeption. Doch als die Uhr schliesslich Zwölf schlägt, geht es los und mir wird schnell bewusst, dies war nur die Ruhe vor dem Sturm. Die zwei Amerikaner checken aus. Sie setzten sich auf zwei Stühle im Garten und warten auf den Bus nach Kampot, den ich ihnen organsiert habe. Callo, einer der zwei Hunde, hat eine Wunde am Hals und darf nicht raus. Das heisst das Tor muss immer zu sein. Familienmitglied Nummer 1, der Vater der französischen Familie, taucht auf. Er öffnet das Tor, schliesst es, lässt aber den Hacken offen. Während Stephen mit ihm das Check-Out macht, renne ich hinter Callo her, der mit seinem kleinen Hundefreund gerade dabei ist auszubrechen. Zurück zur Rezeption. Das Taxi für die französische Familie steht bereit. Familienmitglieder 2-4 fehlen noch. Der Vater erklärt uns, dass seine Frau noch mit den Kindern im Restaurant sitzt. Die Amerikaner entdecken das Taxi der Franzosen und fragen langsam ungeduldig nach ihrem Bus. „Wir sind in Kambodscha, Pünktlichkeit ist ein weiter Begriff.“ Sage ich mit einem Lächeln und Schulterzucken zur Frau, die nun etwas beruhigt mit einem Glas Wasser und einem Bier zurück zu ihrem Platz im Garten geht. Familienmitglied Nummer 2 taucht auf. Schliesst die Türe nicht. Dieses Mal rennt Stephen. Callo, zurück hinter den Gittern des Hotelzauns, blickt finster drein. „Papa!“ Familienmitglied Nummer 2 rennt zu seinem Vater, der mit ihm leise auf Französisch spricht. Demonstrativ seufzt die Amerikanerin, als sie auf die Uhr blickt. Es ist 15 nach. Familienmitglied Nummer 2 muss pinkeln. Wir helfen dem Vater das Gepäck in das wartende Taxi zu laden. Callo blickt frustriert hinter den Gitterstäben hervor zu uns. Wir gehen zurück zur Rezeption und fangen an die Daumen zu drücken, dass der Bus bald kommt. Familienmitglieder Nummer 3 und 4 kommen zurück vom Restaurant. Callo steht schwanzwedelnd vor dem Tor. Wir halten ihn fest und er jault ärgerlich. Familienmitglied Nummer 3 muss auch pinkeln. Mama geht mit. Papa seufzt. Das Taxi wartet. Die Amerikaner blicken gestresst zwischen Tor und Rezeption hin und her. Familienmitglied Nummer 2 fällt die Treppe runter. Knie blutet nicht. Vater trägt weinendes Kind ins Auto. Schliesslich sind auch Mama und Kind 2 fertig, der Vater schaut schon ganz grimmig. Nachdem das zweite Kind zwar nicht die Treppe runter fällt, aber ewigs lange seine Schühchen anzieht, verabschiedet sich der Vater verschwitz, den Ärger wegen dem Flug ins Gesicht geschrieben. Familienmitglieder 2 und 3 sagen auch tschüss, Nummer 4 winkt mit verweinten Augen aus dem Auto. „Au revoir!“ Das Taxi fährt ab. Halleluja, kurz danach kommt ein violetter Bus und die Amerikaner schenken uns doch noch ein Lächeln. Erleichtert setzten Stephen und ich uns zurück hinter die Rezeption und atmen auf. „Das war vielleicht mal ein Check Out!“ Sage ich verschwitzt. Stephen lacht erleichtert.
Plötzlich, das Tor geht auf, Callo springt los, als hänge sein Leben davon ab und einer unserer deutschen Gäste humpelt zur Rezeption. „Habt ihr mir vielleicht ein Glas Wasser? Ich glaub mein halber Zeh ist ab. Hatte einen kleinen Unfall…“