„Eine Million Einhundert und Siebzig, Eine Million Einhundert und Neunzig, Eine Million, eine Million, ach eine Million Einhundert und Hundert? Eine Million Zweihundert!“ Als ich meine restlichen Laos KIP fertig durchgezählt habe, nimmt der Mann an der Grenze das Bündel und zählt alles noch einmal durch. Stephen fragt mich, ob wir unsere Rucksäcke nicht schon mal wieder anziehen wollen. „Warten wir noch hier, bis sich die anderen der Gruppe bewegen.“ Sage ich, als der Mann mir mein Geld in US Dollars zurückgibt. „Welche anderen? Die sind alle weg!“ Stephen schaut mich entsetzt an. Ich sehe mich um und tatsächlich; das sind ganz andere Leute, als jene mit denen wir von Don Det zur kambodschanische Grenze gefahren sind. Wir laufen Richtung Kambodscha, doch sehen niemanden, den wir kennen. Wir laufen etwas zurück nach Laos und dann wieder Richtung Kambodscha. Die Sonne scheint glühend auf unsere nervösen Gesichter. Und so stehen wir nun da, irgendwo im Niemandsland, ohne Reisegruppe, mit 120 US Dollar, ohne Pass, denn der hat unser Guide eingesammelt. „Scheisse.“ Wir irren wie panische Ameisen auf einer Herdplatte zwischen den beiden Ländern hin und her und hoffen darauf gefunden zu werden. Und tatsächlich, von weit hinten aus einem kleinen Haus in Kambodscha taucht ein kleiner Mann in blauem T-Shirt auf und winkt uns aufgeregt zu. Unser Guide zeigt uns an uns zu beeilen und schiebt uns zu einem Schalter. Der Mann hinter dem Schalter hält ein Gerät, so wie die Polizisten, wenn sie die Geschwindigkeit der Autos messen. Er sieht mich erwartungsvoll an. „Was soll das?“ Frage ich etwas irritiert. Der Guide meint nur knapp: „Fiebermessen. Streck deinen Arm.“ Zögernd folge ich den merkwürdigen Anweisungen. Der Mann hinter dem Schalter hält das Gerät über mein Handgelenk, ein roter Laser leuchtet auf meine Adern, dann werde ich schon weitergeschickt. Ich kriege meinen Pass zurück und soll auf einen Stuhl sitzen. Eine kleine Kamera lächelt mir ins Gesicht während ein weiterer uniformierter Mann hinter einem Schalter auf das kleine Kästchen vor seiner Scheibe zeigt. Es ist mit kleinen Bildern beschrieben, welche Finger man drauf legen soll. Wie ein Twister Spiel für Finger kommt es mir vor. Ich sehe das letzte Bild nicht von meinem Stuhl aus und stehe kurz auf. „Aha, beide Daumen“. Der Mann hinter dem Schalter brummt: „Sitz.“ Und ich setzte mich wieder brav vor die Kamera und halte meine Daumen auf das kleine Kästchen? „Wollen Sie vielleicht noch eine Urinprobe? Oder darf ich jetzt wieder in den gekühlten Bus steigen?“ Ich darf wieder in den gekühlten Bus steigen.
Kambodscha ist auf den ersten Eindruck nicht nur anders beim Verfahren an der Grenze, sondern auch von der Landschaft her komplett verschieden. Viel Dschungel, ziemlich flach und diese unglaublich drückende Hitze.
Siem Reap ist eine bunte, bewegte Stadt, mit innovativen Restaurants und Bars. Trotzdem, dass die Stadt mittlerweile etwas überloffen ist vom Tourismus, sind die Leute extrem offen und freundlich. Stephen wählt ein italienisches Restaurant aus für unser erstes Abendessen. „Vegetarisch? Vegan?“ Fragt der Besitzer und ich drücke eine Träne weg, als ich das vegane Menü in der Hand halte. Vegane Lasagna, Carbonara, Pizza, Kuchen und vieles mehr. Okay eine Träne kommt doch ins Rollen. Es gibt verschiedene Definitionen von „Paradies“. Und Siem Reap ist ganz anders als Don Det, doch auch auf seine Art ein kleiner, zumindest kulinarischer, Himmel. 🙂
Nach zwei wunderschönen Tagen mit Stephen in Siem Reap wird es Zeit Abschied zu nehmen. Ich habe mich zu einem dreitägigen Yoga und Meditations Retreat angemeldet. Stephen erklärt dem Tuk Tuk Fahrer, wo sich das Zentrum befindet. Und schon Minuten später, sitze ich zum ersten mal richtig alleine in Südostasien. Das Tuk Tuk düst durch die dichtbefahrenen Strassen, alles um mich leuchtet in grellen Farben, als wir durch die Nacht kurven. Der arme Kerl verfährt sich, doch zusammen können wir die Googlemaps-Wegbeschreibung entziffern. Er ladet mich vor dem blauen Tor des Blue Indigo ab und bietet mir an, wie alle Tuk Tuk Fahrer hier (und es gibt verdammt viele), einen guten Preis für die Tempeltouren zu machen. Ich sage, dass ich mir das noch überlegen werde und zuerst meinen Yoga Retreat machen möchte und verabschiede mich. Als ich leise durch zwei Tore und einen Garten schleiche, wird mir bewusst, dass ich keine Ahnung mehr habe, wo das Zimmer ist, in dem ich heute Nachmittag mit Stephen meine Sachen abstellte. Ich versuche durch ein paar Fenster zu schauen und halte Ausschau nach meinem Bett mit meinen Sachen. Da in allen Zimmern Leute sind, wird mir das dann aber schnell zu spannerhaft und ich schreibe schnell Stephen eine Nachricht. Zum Glück weiss er noch, wo ich heute Nacht schlafe. Als ich vor der Zimmertür stehe, öffnet sie sich von allein und ich stehe vor einer Frau mit blondem Haar. Sie schaut mich überrascht an. „Ist das mein Zimmer?“ Frage ich noch etwas unsicher. „Keine Ahnung?“ antwortet sie mir lächelnd. Ich schiele etwas unbeholfen in ihr Zimmer. „JA! Das ist mein Pikachu!“ Strahle ich erleichtert. Sie bittet mich herein. Schnell finden wir heraus, dass wir zusammen Deutsch reden können und uns für die selben Kurse angemeldet haben.
Morgen um 6:00 Uhr geht es los. Ich bin gespannt, wie ich mich schlagen werde…