Domi allein in Domo Teil 3

Liebes Tagebuch 9.Mai 2017

Das war eine lange Nacht. Doch es war eine aufregende Erfahrung allein mit mir selbst zu sein. Ich wusste wieder wer ich sein will und wohin ich möchte, also mehr oder weniger. Mehr als vorher und das war genug. Der erste und einfachste Schritt waren meine Haare, die wollte ich nämlich Feuerrot. Also packte ich meine Sachen und ging für ein letztes Mal nach Domo, okay ein zweitletztes mal, ich kehrte auf halbem Weg um- hatte nämlich meine ID beim Frühstück liegen gelassen..

Wieder in Domo ging ich direkt zur Bank und hob noch einmal etwas Bargeld ab. Ich kam aus der Bank und sagte leise zu mir selbst „Und nun finde ich den perfekten Friseur.“ Und nur 3 Meter weiter fand ich ihn. Ich klopfte scheu an das Fenster und eine quirlige Italienerin riss die Tür vor mir auf. Ein süsser Duft nach Parfüm und Haarprodukten wehte mir entgegen. Sie war mir auf anhieb sympathisch und als sich ihr ohnehin breites Grinsen beim Anblick von Numa noch vergrösserte wussten wir beide- hier sind wir gut aufgehoben. Machte einen Termin für den Nachmittag und durfte sogar mein Gepäck und Numa’s Hundehaus bei ihr im Laden lassen.

Numa und ich spazierten wehmütig nochmal durch all die Gässchen als ich vor einem eleganten Laden voller schicker Taschen und Unmengen an Make-Up stehen blieb. Da ich gar kein eigenes Make-Up dabei hatte und doch etwas Lust darauf bekam, vor meinem alles verändernden Haartermin noch etwas Farbe in mein Gesicht zu bringen, ging ich hinein. Eine ältere Dame stand an einem Regal und hielt den Hocker der jungen Frau, die hoch oben irgendeine Parfümschachtel zu erreichen versuchte. Beide begrüssten mich mit einem vollen „Bongiorno“ und einem ebenso vollen Grinsen. Ich fragte die beiden, ob man sich hier schminken lassen könne. Die ältere Dame nickte mir zu, während die Junge Frau vom Hocker stieg und stolz die Schachtel einer Kundin brachte. Man wies mich an auf dem Hocker Platz zu nehmen, was ich etwas komisch fand, da ich nun ausgestellt mitten im Laden sass und alle um mich rum schleichen mussten. Da sich mein Italienischwortschatz bei Make-Up in Grenzen hält, wünschte ich mir einfach „Naturale“. Die ältere Dame meinte es gut, doch wage ich zu behaupten, dass auch sie einen Drang zum Übertreiben hat. Mehr ist in Domo einfach mehr. Nach einigen Schichten Foundation und BB Cream und Puder, pinselte sie mir leidenschaftlich Glitzer auf, um und in die Augen. Die Backen wurden nicht nur rosa, sonder glitzerten und funkelten ebenso wie der Rest meines Gesichts. Zum Schluss noch einen dezenten, knall-pinken Lipgloss und der „Look Naturale“ war perfekt. Mein erster Gedanke als ich mich im Spiegel sah war schlicht „OMG“. Doch die gute Frau hatte sichtlich Freude an ihrem Werk und auch die Junge war dermassen begeistert, dass ich die 10 Euro gerne bezahlte und mit Numa zurück auf die Strassen ging.

Nur schon wenige Gässchen weiter als ich beim Restaurant vom Vorabend anhielt um Numa auf dem Bänkchen vis-à-vis zu füttern und zu tränken, hörte ich Lästereien. Lästereien über mich oder besser gesagt mein neues Make-Up. Die Walliserfrauen dachten wohl ich würde sie nicht verstehen, oder noch schlimmer- es war ihnen schlicht egal. Einen kurzen Moment war ich sauer, was wenn es manchen Leuten genau so gefällt? Warum kann man Menschen nicht einfach so sein lassen, wie sie sind. Jeder Mensch verdient es mit Respekt behandelt zu werden, egal wie er rumläuft. Wenn das Mädchen mit den verwaschenen Haaren, dem Schlabberpulli und dem auffälligen Make-Up nicht ich selbst gewesen wäre, ich hätte ihr ein lauten High Five gegeben. Ich hob meinen Kopf und schlenderte mit Numa zurück auf die Piazza und bestellte mir einen Hugo und leckeren, veganen Aufschnitt mit gebackenem Brot und Saucen.

Nach dem Essen und vor meinem Haartermin wusch ich mir dann doch den Lippenstift weg. Alexandra begrüsste uns freudig. Wir hatten schon vorher besprochen, dass meine Haare Feuerrot werden. Endlich wieder einmal etwas buntes, meinte sie mit einem Strahlen. Sie versuchte mich zwar zuerst noch von einem ähnlich hässlichen Pinkton, wie der weggewaschene Lippenstift, zu überzeugen, war dann aber doch nur mit Rot glücklich. Glücklich war auch ich, denn so schön hatte ich mir das alles nicht vorgestellt. Das Rot war dunkel und satt. Die Haare etwas geschnitten und geföhnt hatte sie mir auch und -halleluja- einen feinen, passenden Lippenstift dazu borgte sie mir noch dazu.

Ganz anders als bei meiner Ankunft, verwirrt und unsicher mit meinen verblassten Haaren in dieser fremden Stadt, lief ich nun selbstsicher die Hauptstrasse runter zum Bahnhof. In nur drei Tagen hatte ich Domodossola erobert, oder bleiben wir ehrlich- Domo hat mich erobert.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s